Die Blackbox öffnen – SmartCMS bei Fiasa

Warum ist ein Gutteil gut und ein Schlechtteil schlecht? Um diese Blackbox zu öffnen, hat sich FIASA im Jahr 2018 für die Kooperation mit Bühler entschieden. Zusammen haben sie die Entwicklung des Smart Cell Management Systems (SmartCMS), das Informationen von allen Peripheriegeräten in einem System zusammenbringt, vorangetrieben. 

Die Blackbox öffnen

Warum ist ein Gutteil gut und ein Schlechtteil schlecht? Die Prozesse in der Druckgiesszelle noch besser zu verstehen und zu kontrollieren, treibt Jens Hunke an. Er entwickelt seine Giesserei FIASA in Nordspanien zur Pionierin in Sachen Industrie 4.0 und hat zusammen mit Bühler eine Druckgiesszelle mit dem Smart Cell Management System ausgerüstet.

Die Automobilbranche ist ein kostengetriebener Markt. Der Erfolg ist zu einem grossen Teil gekoppelt an tiefe Prozesskosten», sagt Jens Hunke. Der CEO von Fundiciones Inyectadas Alavesas, S.A. (FIASA) weiss, wie wichtig es ist, als Druckgiesser den Prozess und dementsprechend die Kosten im Griff zu haben. Seit 46 Jahren beliefert die Druckgiesserei, eingebettet in die grünen Hügel des Baskenlands, direkt und indirekt fast alle europäischen Automarken mit Bauteilen für den Antriebsstrang. Gerade in der aktuellen Situation ist es essenziell, sich als Zulieferer breit aufzustellen und für die Zukunft zu rüsten.

«Die Herausforderung ist es, festzustellen wohin sich der Markt entwickelt», sagt Hunke. Denn: Weniger Autos mit reinem Verbrennungsmotor bedeuten weniger Druckgussteile für den Antriebsstrang. In Zeiten wie diesen investiert FIASA in eine neue Druckgiesszelle. Nicht irgendeine, sie soll in Sachen Gesamtanlageneffektivität (GAE oder englisch OEE) – also Verfügbarkeit, Leistung und Qualität – neue Massstäbe setzen. «Wenn wir unsere OEE optimieren, können wir Marktanteile gewinnen», sagt Hunke. Warum die OEE nicht einfach bei 100 Prozent ist, hat zwei Gründe: Es gibt Störungen, und es gibt Ausschuss. Beides hat damit zu tun, dass bis heute nicht alle Prozesse in einer Zelle transparent sind.

Um diese Blackbox zu öffnen, hat sich FIASA im Jahr 2018 für die Kooperation mit Bühler entschieden. Zusammen haben sie die Entwicklung des Smart Cell Management Systems (SmartCMS), das Informationen von allen Peripheriegeräten in einem System zusammenbringt, vorangetrieben. 

SmartCMS ist nicht einfach eine Zellensteuerung, sondern legt den Grundstein für ein intelligentes Management von ganzen Druckgiesszellen, inklusive Anbindung an Internetdienste. «Für uns hat die Anfrage von Bühler, als Betatestkunde ins Projekt involviert zu werden, perfekt gepasst», sagt Hunke. Natürlich könne man eine Zellensteuerung durch Informatiker selbst entwickeln. Der grosse Unterschied sei aber, dass bei Bühler nicht der Informatiker, sondern der Anwendungstechniker die Funktionalitäten definiert. «Die Firma Bühler charakterisiere ich dadurch, dass sie sowohl Maschinenhersteller als auch Technologieführer bei der Anwendungstechnik ist.»

Komplexe Zelle intelligent steuern

Beide Projektpartner hatten von Anfang an dasselbe Ziel vor Augen: höhere Verfügbarkeiten und niedrigere Ausschussraten in der FIASA-Produktion. Zusammen wollten sie zudem Erkenntnisse sammeln, um SmartCMS weiter zu optimieren. «Wichtig war, dass Bühler und FIASA denselben Fokus hatten, nämlich die Industrie-4.0-Initiative voranzutreiben», sagt Oliver Walter, Projektleiter bei Bühler. Die Bereitschaft, sich iterativ, also schrittweise wiederholend, anhand von zweiwöchigen Entwicklungszyklen der optimalen Lösung zu nähern und im engen und vertrauensvollen Austausch zu stehen, war auf beiden Seiten da. Dank der geografischen Nähe zwischen Spanien und der Schweiz konnte das Team monatliche Meetings abhalten und die Roadmap regelmässig den Bedürfnissen von FIASA anpassen.
 

Die Anforderungen seitens FIASA an die neue Zelle waren hoch. Um eine lückenlose Rückverfolgbarkeit des gesamten Prozesses auf das einzelne Gussteil zu gewährleisten, integrierte FIASA kurzerhand die Strahlanlage zur Oberflächenveredelung in die Zelle. Dadurch, dass kein manueller Transportweg zwischen der Zelle und dem Strahlvorgang mehr liegt, kann so keine Vermischung mit Daten von anderen gegossenen Teilen passieren. Die finale Markierung noch innerhalb der Zelle mit dem Datamatrix-Code – vergleichbar mit einem Strichcode im Supermarkt – ermöglicht es nun, das Bauteil einzeln zu identifizieren und wieder mit den Prozessdaten seiner Herstellung zu koppeln. «Unser Ziel war eine Inselproduktionslösung, in der wir das Teil giessen, stanzen, strahlen, verifizieren und per Datamatrix identifizieren», sagt Hunke. So kann FIASA gegenüber dem Kunden eine Transparenz zu Herkunft und Herstellung der Bauteile schaffen.

Ursachen für Ausschuss erkennen

Den grössten Nutzen der Rückverfolgbarkeit hat FIASA jedoch intern. «Wir wollen verstehen, welche Daten für ein gutes Gussteil entscheidend sind», sagt Hunke. Kombiniert man also die komplexe Druckgiesszelle mit SmartCMS, wird es spannend: Vom Zeitpunkt des Schusses über die Einstellungen der Druckgiessmaschine bis hin zur Temperatur des Kühlbeckens kann jeder Prozessparameter zu jeder Zeit wieder aufgerufen werden. «SmartCMS sammelt und speichert die Daten über alle Peripheriegeräte innerhalb der Zelle, was uns wiederum Aufschluss über das Formprogramm beim konkreten Gussteil gibt», so Hunke.

Das bedeutet, dass Ursachen für Ausschuss besser erkannt werden und möglicherweise von Vornherein vermieden werden können. Wenn die Mitarbeitenden der Qualitätskontrolle im Röntgengerät ein Schlechtteil entdecken, können die Anlagenbediener über die Datamatrix nachverfolgen, ob irgendwo ein Prozessparameter aus dem Ruder lief. So können sie auch zukünftig diesen Parameter besser im Griff behalten. Denn je später in der Produktionskette ein Schlechtteil auftaucht, desto mehr Kosten generiert es in Folgeprozessen.

Das Ziel ist, ein Schlechtteil nicht erst bei der Qualitätskontrolle zu entdecken. «SmartCMS hilft unseren Kunden, Qualitätsdaten zu erheben und Fenster für Parameter zu legen, innerhalb derer sich stetig ein qualitativ hochstehendes Teil produzieren lässt», sagt Walter.

Zelle zentral starten

Seit Frühjahr 2019 steht die Zelle in den Hallen von FIASA und liefert erste Erkenntnisse. SmartCMS als Schaltzentrale, sozusagen als Gehirn der Zelle, steht als unscheinbares Touchpanel davor. Viele der Prozessdaten der einzelnen Peripheriegeräte sind zum ersten Mal überhaupt zentralisiert für den Anlagenbediener sichtbar.

«Der Zugang zu diesen Daten bedingt eine enge Zusammenarbeit mit allen Partnern, die einen Teil der Peripherie geliefert haben», sagt Walter. Zur aufschlussreichen Datenerhebung hat das Engineering-Team von Bühler insgesamt auch mehr Sensoren in die Zelle eingebaut. Die so gewonnenen Datenmengen sind riesig, täglich werden 1.42 Gigabyte Daten gesammelt und auf der digitalen Plattform Bühler Insights bereitgestellt.

Für den Giesser bedeutet diese Datenlawine erst einmal mehr Training. Nach der Einarbeitung ins System kann er seine Tätigkeit jedoch zielgerichteter und effizienter bewerkstelligen. Manuelle Prüfungen fallen weg, und er kann die ganze Zelle zentral starten oder stoppen sowie Meldungen bestätigen oder Parameter verändern. Die Datenvielfalt macht nicht nur Prozesse transparenter, sondern auch den Verschleiss. Der grösste Feind der Verfügbarkeit ist die ungeplante Störung, welche die Zelle zum Stillstand zwingt. «Wenn uns hingegen die Zelle dank SmartCMS sagt ‹Bald kommt eine Störung›, dann können wir die benötigte Wartung oder Störungsbehebung in einer sowieso geplanten Unterbrechung lösen», sagt Hunke. 

Dadurch erhöht sich unsere Verfügbarkeit und dementsprechend reduzieren sich die Kosten für das einzelne Gussteil.

Jens Hunke,
CEO von Fundiciones Inyectadas Alavesas, S.A. (FIASA)

Investition in die digitale Zukunft

Das Zusammenführen aller Daten macht SmartCMS zum perfekten Ausgangspunkt für digitale Dienstleistungen mit Datenanalytik. 

In Zukunft wird es möglich sein, dank Algorithmen künstliche Intelligenz ins System einzubringen

Oliver Walter,
Projektleiter bei Bühler

Die Zelle soll letztendlich fähig sein, sich selber zu optimieren und die besten Produktionsparameter für jedes Produkt selbständig ermitteln können. Erste spezifische Dienstleistungen, etwa Predictive Analytics, ein digitaler Service zur vorausschauenden Instandhaltung, sind bereits auf dem Markt.

Mit der neuen Druckgiesszelle und deren Bereitschaft für Konnektivität hat FIASA eine erste grosse Investition in Richtung Industrie 4.0 gemacht. Jens Hunke ist überzeugt, dass er durch SmartCMS nur gewinnen kann.

«Wie die meisten Zulieferer in der Automobilbranche sind wir auf der Suche nach alternativen Verkaufsmärkten», sagt Hunke. «Wer im Prozess- und Materialwettbewerb rund um die Elektrifizierung des Antriebsstrangs am günstigsten und leichtesten produzieren kann, gewinnt. Ich glaube, dass Anwender von SmartCMS in Zukunft auch andere Technologien wie Schmiedeteile oder Bleche ersetzen können.»

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